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Neues BND-Gesetz als Steilvorlage für Diktatoren
26.09.2016 - Reporter ohne Grenzen e.V.
Berlin (ots) - Vor der heutigen Expertenanhörung des Bundestags
zum neuen BND-Gesetz fordert Reporter ohne Grenzen die
Koalitionsfraktionen auf, die Aushöhlung der Pressefreiheit durch die
geplante Reform zu stoppen. Der Entwurf sieht bislang vor, dass der
Bundesnachrichtendienst Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger
außerhalb der EU praktisch schrankenlos überwachen darf, wenn dies im
politischen Interesse Deutschlands ist.

"Union und SPD sind dabei, einen frontalen Angriff auf ein
unveräußerliches Menschenrecht in Gesetzesform zu gießen. Soll das
Ergebnis von drei Jahren politischer Debatte über die
NSA-Enthüllungen Edward Snowdens wirklich lauten, alle fragwürdigen
Praktiken des BND per Federstrich zu legalisieren?", sagte
ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. "Das neue BND-Gesetz droht
zu einer Steilvorlage für Autokraten und Diktatoren in aller Welt zu
werden. Wenn selbst ein demokratischer Rechtsstaat wie Deutschland
bei der Auslandsüberwachung jede Frage nach der Verhältnismäßigkeit
über Bord wirft, werden die Putins und Sisis der Welt nicht zögern,
es ihm gleichzutun."

UNTERSCHIEDLICHER GRUNDRECHTSSCHUTZ JE NACH NATIONALITÄT

Mit der Reform (http://t1p.de/3fb9) will die Bundesregierung
Menschen abhängig von ihrer Nationalität künftig einen
unterschiedlichen Grundrechtsschutz zugestehen: Deutsche dürfte der
BND im Rahmen seiner massenhaften Filterung von Kommunikationsdaten
nicht überwachen, Europäer nur eingeschränkt, Bürger von Drittstaaten
hingegen immer dann, wenn dies die "Handlungsfähigkeit" Deutschlands
sicherstellen oder "Erkenntnisse von außen- und
sicherheitspolitischer Bedeutung" bringen kann. Journalisten könnten
damit rasch ins Visier des deutschen Auslandsgeheimdienstes geraten -
insbesondere dann, wenn sie mit Informanten über politisch brisante
Themen kommunizieren.

Eine Ausnahmeregel für Journalisten bei gezielter Überwachung, wie
sie etwa im G 10-Gesetz über die Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses in Deutschland zu finden ist, fehlt im Entwurf
für das neue BND-Gesetz komplett. Bisher war umstritten, ob diese
Ausnahme auch für ausländische Journalisten und andere
Berufsgeheimnisträger gilt. Nun wird klargestellt, dass der BND
Journalisten aus Nicht-EU-Ländern ungehindert überwachen darf, wenn
dies im Interesse Deutschlands ist.

Reporter ohne Grenzen hat gegen diese geplante Regelung zusammen
mit einem internationalen Bündnis zivilgesellschaftlicher
Organisationen eine Online-Petition gestartet, die den
Koalitionsfraktionen vor der geplanten Verabschiedung des Gesetzes
Ende Oktober übergeben werden soll und weiterhin unterschrieben
werden kann (www.reporter-ohne-grenzen.de/petition-bnd-de/). Zu den
Unterstützern gehören unter anderem Amnesty International, PEN
International, der Europäische Journalistenverband EFJ und der
Weltverband der Zeitungsverleger (WAN-Ifra). Zuletzt hat sich dem
Bündnis der Deutsche Anwaltverein angeschlossen, der rund 66.000
Rechtsanwälte vertritt.

MASSIVE KRITIK VON EXPERTEN IM IN- UND AUSLAND

Trotz massiver Kritik etwa der OSZE-Beauftragten für
Medienfreiheit (http://t1p.de/iut5), dreier UN-Sonderberichterstatter
(http://t1p.de/omg0), des Rechtsausschusses des Bundesrats
(http://t1p.de/1ian) und selbst des ehemaligen BND-Präsidenten
Gerhard Schindler (http://t1p.de/tn39), lassen die
Koalitionsfraktionen bislang keine Neigung erkennen, den
Gesetzentwurf nennenswert nachzubessern. Zu den Kritikpunkten gehören
zu vage Kriterien für die Auslandsüberwachung, die Diskriminierung
nach Staatsangehörigkeit beim Grundrechtsschutz und das Fehlen einer
wirksamen Aufsicht über den BND.

Zu den fehlenden Schutzrechten für Journalisten haben etwa die
UN-Sonderberichterstatter für den Schutz der Meinungsfreiheit, die
Situation der Menschenrechtsverteidiger und die Unabhängigkeit von
Richtern und Anwälten erklärt: "Der Gesetzentwurf weckt ernsthafte
Bedenken, dass ausländische Journalisten und ihre Informanten Ziel
von unbegründeter und unverhältnismäßiger Überwachung werden. Dies
bedroht wiederum ihr Recht - und das der Allgemeinheit -,
Informationen zu sammeln, zu erhalten und weiterzugeben." Ähnliche
Bedenken äußerten sie bezüglich des Schutzes der Kommunikation
zwischen Anwälten und ihren Klienten.

Die ungewöhnliche Wortmeldung der UN-Experten zu einem deutschen
Gesetzesvorhaben zeigt, wie stark die hiesige Debatte um die
Konsequenzen aus dem NSA-Skandal auch international wahrgenommen
wird. Noch hätten die Koalitionsfraktionen die Möglichkeit, die
BND-Reform um eine klare Schutzregelung für Berufsgeheimnisträger zu
ergänzen und damit ein Signal für die Glaubwürdigkeit deutscher
Menschenrechtspolitik zu setzen. Lassen sie diese Chance
verstreichen, dürfte die Signalwirkung umgekehrt ausfallen: Wenn
deutsche Politiker künftig von repressiven Regierungen strikte
Rechtsstaatlichkeit bei der Überwachung einfordern, dürften sie nach
dieser Reform kaum mehr als ein müdes Lächeln ernten.

Deutschland steht auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit
von Reporter ohne Grenzen auf Platz 16 von 180 Ländern. Im
vergangenen Jahr hat Reporter ohne Grenzen bereits eine Klage beim
Bundesverwaltungsgericht gegen bestimmte Überwachungspraktiken des
BND eingereicht.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

- Online-Petition, Gesetzentwurf und Stellungnahmen zur geplanten
Reform: www.reporter-ohne-grenzen.de/petition-bnd-de. Die
Petition ist auch auf Englisch, Französisch und Spanisch
verfügbar.
- Mehr zum Stand der Pressefreiheit in Deutschland:
www.reporter-ohne-grenzen.de/deutschland

OTS: Reporter ohne Grenzen e.V.
newsroom: http://www.presseportal.de/nr/51548
newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_51548.rss2

Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29
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